Ryder Cup: O Captain! My Captain!

Wie wird eigentlich der Job des Ryder-Cup-Teamchefs definiert? Der Versuch einer Stellenbeschreibung.

FOTOS: GETTY IMAGES, BMW/STEFANIE WINKLER

1865 hat der amerikanische Lyriker Walt Whitman eine Eloge auf den ermordeten Präsidenten Abraham Lincoln verfasst. „Unser gefahrvoller Trip ist vorbei; das Schiff hat alle Widrigkeiten überstanden; der Sieg, den wir suchten, ist gesichert“, schrieb Whitman nach der Ansprache „O Captain! My Captain!“

Europas Skipper Luke Donald und dessen US-Pendant Zach Johnson haben die Reise zum Ryder Cup nach Rom zwar noch vor sich und vielleicht auch mulmige Gefühle. Der Engländer soll im Marco Simone Golf & Country Club am Rand der Ewigen Stadt mit einer vielfach verjüngten Equipe die seit 1997 andauernde Heimserie fortsetzen. Sein Kontrahent kommt mit dem Erfolgsdruck des 19:9-Erdrutschsiegs von Whistling Straits 2021, den die Amerikaner nicht zuletzt der endlich erfolgreichen Adaption des europäischen Spirits und Korpsgeists zu verdanken haben.

Und vor jedem Kontinentalwettbewerb stellt sich die Frage: Was macht eigentlich so ein Teamchef, wie lautet die Stellenbeschreibung? Als pauschale Antwort taugt ein Griff in die Kiste der umgangssprachlichen Redewendungen: Dort haust nämlich die eierlegende Wollmilchsau, jenes imaginäre Nutzwesen, das nur Vorteile mit sich bringt, weil es in metaphorischer Hinsicht alle Bedürfnisse befriedigt und sämtlichen Ansprüchen genügt. Oder anders: Der Ryder-Cup-Kapitän, egal ob von der blauen oder von der roten Riege, ist eine Mischung aus Zeremonien- und Hausmeister, Materialtester und Zeugwart, Animateur und Blitzableiter, Kindermädchen und Seelenstreichler.

Nur eines tut er definitiv nicht mehr: selbst zum Schläger greifen, wenn’s um die Punkte geht. Arnold „The King“ Palmer war 1963 der letzte Playing Captain. Aber wie hat Tom Lehmann, einer seiner Nachfolger (2006), mal gesagt: „Der Käpt’n schlägt zwar keine Bälle, er kann allerdings entscheidend dazu beitragen, die Spieler in die richtige Verfassung zu bringen, sodass sie gute Bälle schlagen.“



Okay, konkrete Handlungsrichtlinien lesen sich anders. Selbst bei der European Tour Group wird man in Sachen Jobprofil nur bedingt fündig. Zuvorderst müsse der entsprechende Kandidat „als Aktiver wie als Vizekapitän über Ryder-Cup-Erfahrung verfügen, außerdem noch als Spieler auf dem europäischen Circuit unterwegs sein und herausragende Referenzen vorweisen können“, sagt Scott Crockett, Kommunikationsdirektor der DP World Tour und der Ryder Cup Ltd.

Wenig überraschend sollte ein Kapitän laut Crockett überdies ein hohes „Bewusstsein für die kommerzielle Bedeutung des Ryder Cup“ haben. Solange die Spieler nicht feststehen, ist er Repräsentant und Gesicht des anstehenden Wettbewerbs und mit den ganzen öffentlichen Auftritten, Sponsorenterminen etc. zuvorderst eine Marketingmaschine. Was nicht heißt, dass hinter den Kulissen nicht trotzdem akribisch gearbeitet wird. Stichwort Organisationstalent.

Die Trendsetter

Von Bernhard Langer beispielsweise weiß man, dass er 2004 beim 18,5:9,5 in Oakland Hills/Michigan rein gar nichts dem Zufall überließ. Ebenso Paul McGinley, der 2014 laut Lee Westwood „keinen Stein auf dem anderen ließ“ und „alles bis ins Detail ausgetüftelt und arrangiert hat“: Logistik, Unterkünfte, Teamquartier, Einrichtung, Deko, Essen, Outfits … Thomas Björn ging für Paris 2018 ebenso akribisch vor.

Überhaupt, McGinley. Seit dem Gewinn von Gleneagles gilt der Ire als Ideal eines Prinzipals. Keiner vor und nach ihm hat die Hinweise so konsequent umgesetzt, die Tony Jacklin in den 1980er-Jahren künftigen Kapitänen ins Stammbuch geschrieben hat, als der Engländer vier Mal in Folge die Verantwortung trug und die Rolle des Teamchefs neu definierte. „Wir spielten damals mit den falschen Prioritäten“, erinnert sich Jacklin an sein Debüt 1983: „Die Hauptsache war, mit Würde unterzugehen – typisch britisch.“ Er indes wollte gewinnen und schon im Vorfeld für Selbstwertgefühl sorgen. Also setzte er angemessene Reisebedingungen sowie eine repräsentative Ausstattung durch. „Concorde statt Linienbus“ und „Savile Row statt Trainingsanzug“ hieß die Devise.

Vor allem führte er den Teamraum als Refugium ein. Seine Credo: „Hier drinnen sind wir alle gleich und jeder steht für den anderen ein.“ Jacklin verstand sich als Primus inter Pares, der die Nervosität oder Anspannung bei den Spielern aus eigener Erfahrung kannte. „Ich habe einfach versucht, für jeden einzelnen da zu sein.“ Seine Autobiografie „My Ryder Cup Journey“ liest sich diesbezüglich wie ein Kompendium für Kapitänskompetenz: Unter Jacklins Stabführung entstanden die Strukturen, dank derer Europa in den vergangenen 40 Jahren und 19 Ryder-Cup-Auflagen zwölf Mal als Sieger vom Platz gegangen ist.

Andererseits glauben manche, Amt und Einfluss seien ziemlich überbewertet. Colin Montgomerie, Sieger von Wales 2010, konstatiert: „Der negative Effekt eines schlechten Kapitäns wirkt sich stärker auf das Team aus, als der positive Einfluss eines guten Skippers.“ Nick Faldo und seine arrogante Stabführung 2008 im Valhalla Golf Club in Kentucky mag dafür als gutes Beispiel gelten. Daher betont DP-World-Tour-Mann Crockett den Faktor Menschenführung. „Man könne die Anforderungen sicherlich noch tiefer auswalzen, doch in Summe sind das die wesentlichen Aspekte, auf die es bei der Auswahl eines Kapitäns ankommt“.

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