EINE KURZE, ABSOLUT UNVOLLSTÄNDIGE GESCHICHTE DER OPEN CHAMPIONSHIP

FOTOS:  GETTY IMAGES, UNSPLASH, BEIGESTELLT

Mit der 150. Ausgabe der Open Championship in St Andrews feiert das traditionsreiche Major ein besonderes Jubiläum. Für uns Grund genug, einen Blick in die Geschichte dieses wunderbaren Volksfests der Golfwelt zu werfen.

Es ist schwer zu sagen, ob sich die acht rauen Gesellen, die 1860 zu Ehren ihres im Jahr davor verstorbenen Kollegen Allen Robertson in Prestwick ein Turnier veranstalteten, ausmalen konnten, was aus dieser relativ bescheidenen Zusammenkunft von Caddies und Pros einmal werden würde.

Wenn in St Andrews die besten Spieler vor den Augen von Abermillionen TV-Zuschauern und dem größten Live-Publikum in der ­Geschichte der Veranstaltung aufteen, tun sie das bei dem inzwischen traditionsreichsten, viele werden sagen wichtigsten ­Major-Turnier der Golfwelt, das zum 150. Mal stattfindet. 

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Sie spielen auf einer alten, eher kurzen Anlage, von der Tiger Woods vor kurzem, noch während des Masters in Augusta, meinte, sie sei seine Lieblingswiese. 

The Old Course in St Andrews ist heute noch für viele Profis und ernsthafte Amateure so etwas wie der heilige Gral unseres Sports. Für sie ist der Platz, von dem gelegentlich behauptet wird, er habe keinen Architekten gebraucht, die Quintessenz von allem, was gute Platzgestaltung ausmacht. Am Meer gelegen, mit sandig-festem Boden, den man zu spielen verstehen muss, wurden auf diesen Links der alten Universitätsstadt wesentliche Elemente des modernen Spiels entwickelt, und hier sind einige der bekanntesten Champions der Golfgeschichte gekrönt worden. Wer Golf verstehen will, muss den Old Course studieren! So die einen.

Für andere wiederum ist der Platz an der Küste der schottischen Grafschaft Fife ein veraltetes Relikt aus der Vorzeit. Selbstsichere Tour-Pros mit übermächtiger Länge, fürchten diese Experten, könnten die alte Dame bei günstigen Witterungsbedingungen in einen Pitch-und-Putt-Platz verwandeln. Der Old Course taugt in deren Augen lediglich als nostalgische Antiquität, selbst wenn der Veranstalter das Rough hoch stehen lässt und einige Bahnen verlängert. Auf der berühmten 17, wo man bekannterweise über ein Nebengebäude des angrenzenden Hotels spielen muss, um überhaupt eine Chance auf ein GIR zu haben, befindet sich der Profi-Abschlag schon jetzt hinter der Mauer und damit eigentlich schon außerhalb des Platzes. Viel Raum ist nicht mehr.

Fans und Skeptiker wissen jedoch alle um die zahlreichen, manchmal sehr überraschenden Tücken der alten Dame, und viele hoffen darauf, dass die Elemente, wie so häufig in diesen Breitengraden, dem Platz zu Hilfe eilen werden. Wenn der Wind bläst und der Regen einsetzt, können sich die bei guter Witterung so handzahm erscheinenden Links in eine Bestie verwandeln.

Wie auch immer. Das 150. Jubiläum der Open Championship findet im Juli dieses Jahres 160 Jahre nach dem ersten Match um den Titel des Champion Golfer of the Year statt. 

First and Last.

Als im letzten Jahr der 24-jährige Kalifornier Collin Morikawa seine letzte Runde der Open in Royal St George’s absolvierte, sah er die meiste Zeit so entspannt aus, als wäre er mit einigen College-Kumpeln auf einer Samstagsrunde. Dass er um den vielleicht wichtigsten Preis der Golfwelt spielte, sah man ihm nicht wirklich an. Dass ihm als Champion-Golfer der 149. Open die stattliche Summe von über zwei Millionen Euro winkte, war für ihn, wie er später sagte, angeblich eher sekundär. Es ging Morikawa in erster Linie darum, seinen Namen in die Geschichte des Golfsports einzuschreiben.

Auf dem Sockel des ikonischen Claret Jug, der wohl bekanntesten Weinkaraffe der Welt, sind die Namen von Legenden wie Walter Hagen, Bobby Jones, Nick Faldo, Ernie Els, Seve Ballesteros, Tom Watson und natürlich Tiger Woods eingraviert. Jeder junge Golfer auf der Welt träumt davon, sich in diese Erbfolge der Größten einzureihen und dadurch Teil der DNA des Spiels zu werden. „This is the one!“, wie ein R & A-Werbespot seit einigen Jahren mit gänsehautprovozierender Dramatik verkündet.

Dabei begann im Jahre 1860 die Geschichte dieser Meisterschaft eher wie ein schlecht organisiertes Klassentreffen und blieb auch so für die ersten Jahre. Insgesamt acht Pros aus Schottland und England versammelten sich damals auf Einladung in Prestwick an der schottischen Westküste, um auf den zwölf Löchern der dortigen Links gegeneinander zu spielen. Mit von der Partie waren Old Tom Morris und Willie Park Senior. Daneben Namen wie William Steel, Andrew Strath und George Daniel Brown, die heute nur dem golfhistorisch interessierten Leser bekannt vorkommen werden. Gewinnen konnte Willie Park Sr. mit zwei Schlägen Vorsprung vor seinem Dauerrivalen Old Tom Morris.

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Die Schotten blieben für die ersten dreißig Jahre als Sieger unter sich, bis im Jahre 1890 ein englischer Amateur namens James Ball als erster „Ausländer“ den Pokal in die Höhe hob. Erst wesentlich später wagten sich die Amerikaner ins Homeland des Spiels zurück. Dann aber kamen sie mit Dominanz. Ab den frühen 20er-Jahren waren Männer wie Walter Hagen, Jim Barnes, Bobby Jones und Gene Sarazen immer wieder auf den Links der Championship dabei. Der legendäre Ben Hogan gewann 1953, Arnold Palmer 1961 und Jack Nicklaus erstmals 1966.

Und auch heute spielen Amerikaner meistens vorne mit. Dreißig US-Spieler haben insgesamt fünfundvierzig Mal den Pokal in die Höhe gehalten, einige mehrfach. Der letzte schottische Sieger war Paul Lawrie im Jahre 1999. Auf einen deutschsprachigen Champion Golfer of the Year warten wir indes noch vergebens, auch wenn Matti Schmid im letzten Jahr als Top-Amateur die Silver Medal entgegennehmen konnte. Was die Zukunft bringt, bleibt abzuwarten.

In und um den Claret Jug

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Als Claret bezeichneten die Briten über lange Jahre hinweg fälschlicherweise jeden Bordeaux-Wein. Diese sind seit der Hochzeit der Französin Eleonore von Aquitanien mit König Henry II im 12. Jahrhundert so etwas wie das Nationalgetränk britischer Weinfreunde. Der knapp einundzwanzig Zentimeter hohe und über zwei Kilogramm schwere Claret Jug wurde im Jahre 1872 in Auftrag gegeben und von Prestwick Golf Club, the Royal and Ancient Golf Club of St Andrews und der Honourable Company of Edinburgh Golfers bezahlt. Jeder Club gab 10 Pfund. Hergestellt wurde er von der Edinburgher Silberschmiede Mackey Cunningham & Company.

Viele Champions haben den Pokal als Trinkgefäß verwendet, einige den Inhalt auch mit ihren begeisterten Fans geteilt. Shane Lowry und Darren Clarke tranken Guinness daraus, Walter Hagen wohl Champagner. Von Rory McIlroy gibt es Bilder, wie er Jägermeister in das Ding füllt, und Phil Mickelson soll einen 40.000 Dollar teuren Rotwein dekantiert haben. Richtig gelesen. 40.000!

Interessant ist, dass es natürlich mehrere Claret Jugs gibt. Seit dem ersten Sieg Walter Hagens im Jahre 1927 bekommt der Sieger eine 1:1-Replika, die er im Folgejahr wieder abgeben muss. Es steht zu vermuten, dass die Herren von Randa dem Playboy Hagen nicht so richtig über den Weg trauten.

In den ersten Jahren der Championship spielten die Herren um einen roten, Messing-geschmückten Ledergürtel, einem Preisboxergürtel nicht unähnlich. Young Tom Morris, der die Championship im Jahre 1870 zum dritten Mal gewann, nahm diesen mit nach Hause und gab ihn nie zurück. Erst dann wurde ein Pokal für den Sieger in Auftrag gegeben.

Damen Open

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Eine Open Championship der Frauen gibt es seit 1976. Das Turnier wurde schon bald zu einer der wichtigsten Veranstaltungen im Kalender des internationalen Frauengolfs. Im Gegensatz zur Open, die immer auf Linksplätzen ausgetragen wird, findet die AIG Women’s Open nicht nur an der Küste statt. Einige der größten Namen im Frauengolf konnten bei diesem Major den Pokal entgegennehmen. Vivian Saunders, Laura Davies, Karrie Webb, Se Ri Pak, Yani Tseng und Annika Sörenstam. Auch eine Deutsche ist dabei. Sophia Popov gewann sensationell im Jahre 2020 auf den Links von Royal Troon.

Auch wenn der Sieg bei der AIG Women’s Open mit unglaublichem Prestige einhergeht, wird die Siegerin, was das Preisgeld angeht, im Vergleich zu den Männern eher abgespeist. Im Jahre 2021 gewann die erstplatzierte Anna Nordquist $ 870.000. Eine der höchsten Summen, die je im Frauengolf ausgelobt wurden. Collin Morikawa durfte sich bei seinem Sieg hingegen über einen Scheck in Höhe von $ 2.070.000 freuen.

Offene Statistiken

Der älteste Spieler, der sich den Titel Champion Golfer of the Year holen konnte, war Old Tom Morris. Sein Sohn, Tommy, war der jüngste. Diese Rekorde bleiben bis heute ungebrochen. Den größten Vorsprung hatten hingegen J.H. Taylor (1900, 1913), James Braid (1908) und Tiger Woods (2000) mit jeweils acht Schlägen. Der Südafrikaner Ernie „The Big Easy“ Els gewann zweimal. Zwischen dem ersten und zweiten Sieg lagen zehn Jahre! Während Phil Mickelson (2011) und Darren Clarke (2013) jeweils zwanzig Mal teilnahmen, bevor sie einen Sieg für sich verbuchen konnten, durfte der Letztjahressieger Morikawa gleich bei seinem ersten Antritt den Pokal in die Höhe heben.

Er ist damit nur einer von fünf Spielern, denen das gelang. Der größte Außenseiter, der jemals den Jug entgegennahm, war ein Mann namens Ben Curtis. Der Amerikaner, den niemand als Champion auf dem Schirm hatte, startete mit einer Wettquote von 500/1. Am häufigsten hat der legendäre Harry Vardon (ja, der mit dem Griff) gewonnen. Sechs Mal war er Champion Golfer of the Year. Die Namen James Braid, J.H. Taylor, Peter Thomson und Tom Watson stehen jeweils fünf Mal auf dem Pokal. Jack Nicklaus, der 1978 zum dritten Mal siegreich war, hält den Rekord als Zweitplatzierter. Sieben Mal war „The Golden Bear“ Runner-up. Den niedrigsten Gesamtscore (der modernen Open) konnte Henrik Stenson notieren. Mit 20 unter Par bleibt sein Ergebnis auf Royal Troon aus dem Jahre 2016 bis heute unerreicht.

Hogan

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Hogan kam 1953 zum ersten und einzigen Mal nach Schottland. In dem feinen Privatclub Panmure übte der bis dahin linksunerfahrene Texaner zwei Wochen lang für die im nahen Carnoustie stattfindende Open, um sein Spiel linkssicher zu machen und sich auf den damals etwas kleineren britischen Ball einzustellen. Das ist ihm auch gelungen. Der bald von den Schotten wegen seiner kühlen Konzentriertheit und Nervenstärke liebevoll „Wee Iceman“ (Kleiner Eismann) genannte Hogan wird im Land der Links wie ein Heiliger des Spiels verehrt.

Bobby Jones

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Jones hatte bei seinem ersten Versuch, die Open zu gewinnen, keine glückliche Hand. Der spätere Gentleman des Spiels soll, so will es die Legende, wutentbrannt vom Platz gestürmt sein, nachdem es ihm nicht gelungen war, sich aus dem Hill Bunker zu befreien. Jones kehrte jedoch in der Folge viele Male nach Schottland zurück und konnte den Claret Jug insgesamt drei Mal mit nach Hause nehmen. Seine Liebe zu St Andrews beruhte auf Gegenseitigkeit. Bei seinen Besuchen in der Stadt wurde er wie ein Volksheld gefeiert. Die zehnte Bahn auf dem Old Course trägt seinen Namen. Jones war 1930 der letzte Amateur, der die Open gewinnen konnte.

Tiger

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„It’s my favourite course in the world“, ließ Tiger die Weltöffentlichkeit des Sports im Frühling wissen. Kein Wunder, er blickt auf einige der größten Momente seiner Karriere zurück, wenn er an den Old Course denkt. Bei seiner extraordinären Open in 2000, wo er mit 19 unter Par gewann, traf er keinen einzigen der zahlreichen Bunker, sondern navigierte den Platz mit einer Selbstsicherheit, die man selten sieht. Wie ein Zauberer! 2005 kehrte er zurück und gewann erneut. Wenn der dreifache Open-Sieger Woods über St Andrews spricht, hört man ihn so schwärmen wie sonst selten.   

Bunker von St Andrews

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Nur zwei Bahnen auf dem Old Course haben keine Bunker. Die erste und die letzte. Alle anderen sind gut geschützt. Insgesamt 112 Bunker verteidigen den Platz. Viele haben Namen, die auf ehemalige Mitglieder verweisen, manchmal ironisch, manchmal bösartig. Andere lassen ahnen, wie sehr sie den Spielern zu schaffen machen. Es gibt „Coffins“ und „Hell“, „Kitchen“ und „Grave“, „Seven Sisters“, „Scholars“, „Progressing“ und natürlich den legendären „Road“-Bunker. Dieser bewacht das 17. Grün und trägt auch den Spitznamen „The Sands of Nakajima“, nach dem glücklosen Tommy Nakajima, der im Jahre 1978, nur einen Schlag hinter dem Führenden, zuerst in den Bunker puttete (ja, puttete) und dann vier Schläge brauchte, um sich zu befreien. Caddies und Einheimische haben diverse inoffizielle Kosenamen für viele der Bunker des Old Course. Die wenigsten lassen sich in einer für Jugendliche zugänglichen Publikation wiedergeben.

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