Sechs Monate nach der Geburt ihres Sohnes arbeitet sich Alison Lee Schritt für Schritt zurück ins Profi-Golf – und spricht offen über Belastungen, Fortschritte und neue Prioritäten.
Hinter Alison Lee liegen intensive Monate. Seit der Geburt ihres Sohnes Levi hat die 30-Jährige nur wenige Turnierstarts absolviert. Dennoch zieht sie eine erste, vorsichtig positive Zwischenbilanz. „Levi schläft gut, das erleichtert vieles“, sagt sie. „Ich kann wieder reisen und trainieren – und gleichzeitig Mutter sein.“
Die Kombination aus Familienalltag und Profi-Golf beschreibt Lee als bereichernd, aber auch herausfordernd. Der Wiedereinstieg verlief nicht ohne Probleme.
Körperliche Rückkehr mit Hürden
Nach einem Not-Kaiserschnitt musste Lee langsamer an sich arbeiten, als sie es gewohnt war. „Die ersten Tage konnte ich kaum gehen“, sagt sie. Nach sechs Wochen begann sie erstmals wieder zu chippen und zu putten, nach rund zwei Monaten folgten die ersten Schwünge. Der Kraftverlust war deutlich spürbar: „Mein Ball Speed war um fast 20 mph niedriger. Das war frustrierend.“
Emotionale Rückschläge blieben nicht aus. Trotzdem setzte sie ihr Programm fort. „Ich versuche, jeden Tag etwas zu tun. Gleichzeitig frage ich mich oft, ob ich genug trainiere – und ob ich genug für meinen Sohn da bin.“ Die richtige Balance zu finden, sei ein laufender Prozess.

Karriere mit neuer Perspektive
Lee zählt seit Jahren zur etablierten internationalen Konkurrenz im Damengolf. Sie war Nummer 1 der Amateurweltrangliste, sechsmal AJGA First-Team All-American und Teil mehrerer US-Nationalteams im Juniorbereich. Seit ihrem Wechsel ins Profilager 2014 gewann sie zwei LET-Titel und erzielte Top-10-Platzierungen bei Majors wie dem Evian Championship und dem Chevron Championship.
Die aktuelle Saison sieht Alison Lee als Übergangsjahr, in dem sie ihren Status Quo nach der Pause realistisch einschätzen will. Beim Aramco China Championship tastete sie sich erneut an das Niveau der Tour heran.
Unterstützung als Schlüssel
Eine zentrale Rolle in dieser Phase spielt Lees Umfeld. Ihre Mutter und der Vater ihres Sohnes begleiten sie eng und übernehmen Teile der Betreuung, wenn Trainings- oder Reisetage anstehen. „Allein wäre das nicht machbar“, sagt sie nüchtern.
Auch der Austausch mit Spielerinnen, die den Weg vor ihr gegangen sind – etwa Stacy Lewis – hilft ihr. „Es gibt keine allgemeingültige Lösung. Jede Familie organisiert sich anders.“
Erfolg neu definiert: Der Blick über die Scorecard hinaus
Für Alison Lee geht es längst nicht mehr nur um Trophäen, Rankings oder Statistiken. Es geht darum, ihrem Sohn etwas vorzuleben, das bleibt:
„Ich möchte, dass Levi sieht, dass harte Arbeit sich lohnt“, sagt sie. „Meine Mutter war eine Vollzeit arbeitende Mama, die alles für mich getan hat. Sie ist mein Vorbild – und ich möchte das für ihn sein.“
Ihr Rat an andere Athletinnen ist ehrlich, realistisch und bestärkend:
„Gib dir selbst Gnade. Nur wenige kommen sofort stark zurück – und die meisten haben viel Unterstützung. Nimm dir Pausen. Bitte um Hilfe. Das macht dich nicht weniger stark – es macht dich menschlich. Und es macht dich zu einer besseren Mutter.“

Partners in Progress: Rolle von Golf Saudi
Als Botschafterin von Golf Saudi betont Alison Lee, dass die Zusammenarbeit über eine klassische Sponsorenbeziehung hinausgeht. Aus ihrer Sicht hat die Organisation in den vergangenen Jahren sichtbar in den Frauen-Golfsport investiert – etwa durch gestiegene Preisgelder, mehr Turniere und verbesserte Produktionsstandards. Nach Angaben von Golf Saudi wurden rund 30 LET-Events mit insgesamt 45,5 Millionen US-Dollar Preisgeld unterstützt. Zudem fördert das Programm 14 Spielerinnen und bietet in Saudi-Arabien kostenlose Trainingsangebote für Frauen und Mädchen, an denen bislang mehr als 6.000 Teilnehmerinnen teilgenommen haben. Für Lee ist diese Entwicklung ein Teil der strukturellen Veränderungen, die den Profisport langfristig beeinflussen.
Blick nach vorne: Lees Mission für 2026
Für die kommende Saison formuliert Lee klare, aber realistische Ziele. „Ich möchte konkurrenzfähig sein, nicht nur den Cut schaffen“, sagt sie. Die Off-Season will sie nutzen, um an Kraft, Stabilität und Konstanz zu arbeiten.
Alison Lee steht mit ihrer Geschichte stellvertretend für eine neue Generation moderner Athletinnen – Frauen, die Mutterschaft, Karriere, Verletzlichkeit und Entschlossenheit miteinander verbinden. Ihr Comeback ist mehr als ein sportlicher Neustart: Es ist ein Statement darüber, was möglich ist, wenn Leidenschaft, Struktur und Unterstützung zusammenkommen.
Alison Lee ist US-amerikanische Profigolferin und spielt seit 2014 auf der LPGA Tour und der Ladies European Tour (LET). Zuvor war sie eine der erfolgreichsten Amateurspielerinnen ihrer Generation: ehemalige Nummer 1 der Amateurweltrangliste, sechsmal AJGA First-Team All-American und Mitglied der US-Teams im Junior Solheim Cup, Junior Ryder Cup und Curtis Cup. Als Profi gewann sie zwei LET-Titel, darunter 2023 in Riad, und erzielte mehrere Top-10-Platzierungen bei Majors wie dem Evian Championship und dem Chevron Championship. Bekannt für ihr solides Ballstriking und ihre Konstanz, kehrte sie 2025 nach der Geburt ihres Sohnes Levi zurück auf die Tour und spricht offen über die Balance zwischen Leistungssport und Mutterschaft.
