Ryder Cup: Der heilige Golf-Gral

Beim Ryder Cup geht es um Ehre und Emotionen – und hinter den Kulissen um viel Geld.

Das Objekt der Begierde ist bloß 43 Zentimeter hoch und 1,8 Kilogramm schwer, mit 22,8 Zentimetern Spannweite. Ein sakral anmutendes Pokalchen statt der sonst üblichen eimergroßen Trophäen. Aber beim Ryder Cup, dem legendären Teamwettbewerb zwischen Europa und den USA – von immensem Hype geprägt, von enormem Spektakel begleitet und vom Nimbus aus Geschichte und Geschichten getragen –, ist sowieso alles anders als sonst im Golfzirkus.

Der Ryder Cup verkörpert wohl tatsächlich so ­etwas wie den heiligen Gral des Golfsports. Dies- und jenseits des Atlantiks versammelt der jeweilige Kapitän seit 1927 alle zwei Jahre zwölf verdiente ­Recken und zieht aufs Grün, wie weiland König Artus mit seiner Tafelrunde. Die sportliche Walstatt der 45. Ryder-­Cup-Matches ist heuer Ende September der Black Course im Bethpage State Park auf Long Island, ein öffentlicher Parcours vor den Toren von New York, der 1935 unter dem Einfluss des Ausnahme-Architekten­ Albert W. Tillinghast entstanden ist und an dessen Eingang ein Schild warnt: „Der schwarze Kurs ist ein äußerst schwieriger Platz“.

„Two more years!“: Im Siegesrausch von Rom wurde Kapitän Luke Donald von den Spielern schon 2023 für Bethpage Black auf den Schild gehoben. Nun dirigiert er Europas Equipe tatsächlich heuer in der Höhle des amerikanischen Löwen.

Beim Ryder Cup gibt es keine Preisgelder, die meist millionenschweren Professionals treten für ihre Fahne an und konkurrieren um den Ruhm: Meriten statt Moneten. Allenfalls werden Aufwandsentschädigungen oder Prämien gezahlt, um deren Höhe jüngst aufseiten der USA heftig gestritten wurde – was die Europäer mit Schadenfreude goutierten. „Ich persönlich würde notfalls sogar Geld mitbringen für das Privileg, beim Ryder Cup zu spielen“, kommentierte Rory McIlroy das Geschacher.

Es ändert nichts am Grundgedanken: „Golfs Biggest Showdown“, wie der US-Branchendienst Global Golf Post das kontinentale Kräftemessen nennt, ist ein Ehrenhandel ums Renommee, bei dem Einzelkämpfer idealerweise zu Teamspielern werden – „gemeinsam sind wir stark“ und so weiter. Das gereicht von jeher den Europäern zum Vorteil, die letztmals 1993 im englischen The Belfry ein Heimspiel ver­loren haben. Besser als der sechsfache englische Ryder Cupper Justin Rose kann man es nicht in Worte fassen: „Eine gute Paarung in der europäischen Mannschaft bedeutet nicht, dass man mit seinem besten Kumpel spielt, sondern dass man etwas repräsentiert, das größer ist als man selbst.“


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So was ist nicht wirklich nach dem Geschmack der US-Ego-Shooter, die selten verschworen sind und eher verloren wirken, wenn sich ihnen ein Gegner mit Korpsgeist in den Weg stellt, und die allenfalls auf eigenem Boden von Fans und Atmosphäre verschweißt werden. Nicht von ungefähr sind die Amerikaner traditionell in den Fourballs stärker, wo jeder seinen eigenen Ball spielen, sein eigenes Ding machen kann – und halt in den Einzeln.

Das Ballyhoo vor allem macht Bethpage Black für Europas Teamchef Luke Donald und die blau-goldene Delegation zu einer wahren Mission Impossible. Die Aussicht weckt ungute Erinnerungen, weil auch in der Vergangenheit schon mal Motivation und gesunder sportlicher Ehrgeiz mit kontinentaler Rivalität verunstaltet wurden.

Ryder Cupper: Nach dem Debüt 2023 in Rom ist Sepp Straka – zuvorderst dank der gewonnenen Truist Championship – relativ sicher auch heuer in Bethpage Black dabei.

The War on Shore und die Battle of Brookline

Besonders in den USA steht beim Prestigeduell der Neuen gegen die Alte Welt regelmäßig das nationale Wohl zur Disposition. 1991 verstiegen sich die amerikanischen Medien gar zur Kriegserklärung und riefen für Kiawah Island, South Carolina, den „War on Shore“ aus. 1999 kochte in Brookline, Massachusetts, der emotionale Topf solchermaßen über, dass die aufgeputschten Spieler und Zuschauer bereits siegestrunken übers Grün trampelten, obwohl Europa ­hätte ausgleichen können. In Hazeltine schließlich übten sich die US-Fans in derart unflätigen Beleidigungen, dass McIlroy fast handgreiflich wurde.

Die hehre Idee des Samuel Ryder

Da blieb nicht mehr viel übrig von der hehren Idee des Wettbewerbsstifters Samuel Ryder, ein Brite, der es in den 1890er-Jahren mit dem Postversand von Pflanzensamen in Tütchen zu erklecklichem Wohlstand gebracht hatte. Der spät berufene Golfer war überzeugt,  sein Turnier werde „zu einer herzlichen, freundlichen und friedlichen Atmosphäre in der zivilisierten Welt“ beitragen, als er den filigranen Goldpokal spendete – gefertigt für 250 Pfund Sterling, das wären heute umgerechnet knapp 19.000 Euro. Also schipperte 1927 die damals rein britische Equipe zur Ryder-Cup-Premiere gen Amerika – und ließ den Pott nach einer Pleite in Worcester, Massachusetts, direkt als Gastgeschenk da.

Irische Unterstützung und vereintes Europa

Das sollte sich in der Folge kaum ändern: Der Ryder Cup wird zwar abwechselnd auf beiden Kontinenten ausgetragen, während der ersten 50 Jahre jedoch gewannen vor allem die Amerikaner. Es drohte die Bedeutungslosigkeit des Einseitigen. 1973 durften daher die Iren mit ran, was wenig half. 1979 holte sich das Golf-Mutterland in der Not die Kontinentaleuropäer zur Verstärkung, fortan lief’s: Seit 1985 hat Team ­Europe von 19 Wettbewerben nur sechs abgegeben, fünf davon auswärts.

The Concession: Jack Nicklaus (l.) und Tony Jacklin sorgten 1969 für eine der größten Gesten von Fairness und Sportsgeist aller Zeiten.

The Concession: Als Nicklaus und Jacklin Freunde wurden

Es ist der 20. September 1969: Auf dem 18. Grün von Royal Birkdale, England, stehen sich der Engländer Tony Jacklin und US-Star Jack Nicklaus im letzten Einzel des 18. Ryder Cup gegenüber. Beide Teams haben 15,5 Punkte, und das Match ist ebenfalls „all square“, nachdem Jacklin auf Loch 17 einen langen Eagle-Putt versenkt hat. Rookie Nicklaus locht über 1,5 Meter zum Par und schenkt anschließend ­Jacklins Putt, obwohl die 60 Zentimeter zum Loch beileibe keine Selbstverständlichkeit waren. „Ich glaube nicht, dass du vorbeigeschoben hättest“, sagt Nicklaus. „Aber ich wollte dir gar nicht erst die Möglichkeit dazu geben.“

Das Match ist halbiert, der Ryder Cup endet 16:16, die Titelverteidiger aus den USA dürfen den Pokal behalten – und seither gilt Nicklaus’ Zugeständnis, „englisch concession“, als eine der größten Gesten von Fairness und Sportsgeist aller Zeiten. Mehr noch, The Concession begründete eine tiefe Freundschaft zwischen Nicklaus und Jacklin, die 1983 und 1987 als Ryder-Cup-Kapitäne nochmals aufeinandertrafen und später gemeinsam einen Platz in Florida konzipierten, der als Sinnbild für den „Spirit of the Game“ an jenen besonderen und bedeutsamen Tag erinnern soll: The Concession Golf Club.

Siegreicher Skipper: Unter der Regie des zweifachen Masters-Champions Bernhard Langer verpassten die Europäer den Amerikanern 2004 in Oakland Hills, Michigan, mit 18,5:9,5 eine deftige Watsche.

Bernhard Langer und Martin Kaymer

Auch zwei Deutsche haben deutliche Spuren in der Historie des Ryder Cup hinterlassen. Bernhard Langer war 1991 auf Kiawah Island mit einem vergebenen Putt die tragische Figur der europäischen Niederlage; 2004 revanchierte sich der zweifache Masters-Champion in Oakland Hills, Michigan, als Kapitän mit einer deftigen 18,5:9,5-Watsche für die Amerikaner. Martin Kaymer wiederum, PGA Champion von ­ 2010 und U.S.-Open-Gewinner von 2014, verwandelte 2012 in Illinois im Einzel gegen Steve Stricker den Putt zum entscheidenden Matchgewinn und machte damit das „Miracle of Medinah“ perfekt. Zur Vollständigkeit gehört, dass Bernd Wies­berger 2021 und Sepp Straka 2023 mit von der Partie war. Die Österreicher spielten jeweils drei Matches: Straka holte einen Punkt, Wiesberger ging gänzlich leer aus.

Mission 2035: Auf den Green Eagle Golf Courses in Winsen (Luhe) bei Hamburg baut Inhaber Michael Blesch den West Course und will sich
mit einem innovativen Zuschauerkonzept für die 50. Auflage des Kontinentalduells bewerben.

Und es geht doch ums liebe Geld

Ach so, hinter den Kulissen geht’s natürlich doch um Geld. Viel Geld. Die European Tour Group finanziert sich hauptsächlich aus den Einnahmen der Tochter Ryder Cup Europe Ltd. und ist auf die bei den Heimspielen generierten Millionen angewiesen. Da wundert es nicht, dass die Cashcow in der Vergangenheit quasi meistbietend versteigert wurde, während die in den USA verantwortliche PGA of America für „ihre“ Schauplätze bezahlt.

Celtic-Manor-Eigner Terry Matthews soll für 2010 rund 45 Millionen Euro hingeblättert haben. Le Golf National nahe Paris punkte besonders mit der Befreiung von der Mehrwertsteuer durch Frankreichs Regierung. Und im Fall des Marco Simone Golf & Country Club heißt es, die 2017 verstorbene Patronin und Mode-Milliardärin Laura Biagiotti habe im Fall des Zuschlags nebst Totalsanierung und nahezu neu gebautem Platz eine kräftige monetäre Mitgift avisiert. Dafür brachte die Ryder-Cup-Woche der ­Region einen wirtschaftlichen Gegenwert in Höhe von 262 Millionen Euro. Für Bethpage dieses Jahr wird die erwartete ökonomische Bedeutung auf mindestens 150 Millionen Dollar geschätzt.

Härtetest bestanden: Green-Eagle-Inhaber Michael Blesch hat bewiesen, dass er große Turniere kann. Nun will er den Ryder Cup auf seine Anlage holen.

Green Eagle und die Mission 2035

Deutschland hat beim pekuniären Poker um den ­Ryder Cup bereits zweimal den Kürzeren gezogen. Doch aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei: Auf den Green Eagle Golf Courses in Winsen (Luhe) bei Hamburg bastelt Inhaber Michael Blesch an der Mission 2035. Dafür baut er einen neuen Platz und will der European Tour Group die erwünschten Einnahmen mit einem für den Ryder Cup innovativen Zuschauerkonzept in die Kasse spülen, dessen Herzstück eine ausgedehnte Glamping-Fläche samt Veranstaltungs- und Gastromeile ist. Zuvor findet das Kontinental­duell 2027 im irischen Adare Manor statt, Gastgeber ist der in der Golf-Beletage bestens vernetzte Milliardär J. P. McManus. Für 2031 ist der Austragungsort noch nicht vergeben. Aber dann …

Ryder Cup: Der Modus

Drei Tage lang wird Matchplay über 18 Loch gespielt, Schlag um Schlag, Ball um Ball, Loch um Loch. Erst klassischer Vierer und Vierball-Bestball mit Zweierteams, insgesamt vier Durchgänge mit vier Paaren auf jeder Seite. Dann, am Schlusssonntag, Mann gegen Mann, alle Mann. Summa summarum 28 Partien. Es zählen pro Duell, ob im Duett oder als Einzel, nur die gewonnenen bzw. verlorenen Bahnen, nicht die absolvierten Schläge. Es gewinnt das Match, wer zuerst mehr Löcher für sich entschieden hat, als auf der Runde noch anstehen. Remis bringt jedem Duo einen halben Punkt. Wer 14,5 Matches gewonnen hat, dem gehört der Ryder Cup. Bei 14:14 nimmt der Titelverteidiger den goldenen Henkelmann wieder mit.

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